Regie Christine Eder
http://christineeder.servus.at
http://www.theaterkonstanz.de/
Gastspiele
Theater Winkelwiese, Zürich
Lokremise, St.Gallen
Photo Ilja Mess
www.die-deutsche-buehne.de/Kurzkritiken Schauspiel/Zic+Vorlaeufigen /Skizzen+starker+Gefuehle
23.05.2012, Südkurier
Die Vorläufigen
Jeder für sich und an den Anderen vorbei
Alle leben nebeneinander her. So lange, bis jemand nicht mehr lebt. Darum geht’s in dem Stück „Die Vorläufigen“, uraufgeführt am Stadttheater Konstanz. Außen bestimmen die Kraftlinien der Statik die Stabilität eines Hauses. Drinnen sind es Lebenslinien von Menschen, die sich kreuzen, parallel nebeneinander herlaufen oder sich sogar im Kreise drehen. Diesen faszinierenden Mikrokosmos menschlichen Zusammenlebens in einem Haus haben schon manchen Dramatiker fasziniert und zu einem Bühnenstück angeregt. Dea Loher etwa oder Botho Strauß haben sich immer wieder auf diesen eng umgrenzten Lebensraum konzentriert. Nun also Ivna Zic, eine 26-jährige Autorin, die mit ihrem Stück „Die Vorläufigen“ den gemeinsamen Autorenwettbewerb der Stadttheater Konstanz und St.Gallen gewonnen hatte und die jetzt ihren Preis – die Uraufführung in der Spiegelhalle des Konstanzer Theaters – einlösen durfte. Regisseurin Christine Eder muss von dem kleinen Stück ebenso angetan gewesen sein, wie die Jury. Denn sie inszeniert den Schicksalsreigen dieser Hausgemeinschaft, so liebevoll, mit Tempo, Temperament und Herzblut, dass sie sich fast als Co-Autorin gefühlt haben muss. Erzählt wird in schnellen Schnitten der Tagesablauf von Teresa, Lena, Bernhard, einem namenlosen Paar und Frau Wickert, die im Haus sauber macht ohne mit sich so ganz im Reinen zu sein. Jeder lebt für sich und an den Anderen vorbei, im eng getakteten Tagesablauf moderner Stadtmenschen. Bis eines Tages Frau Wickert auf ihr Weiterleben verzichtet und durch ihren Tod die Bewohner zwingt, sich mit ihrer Umgebung auseinanderzusetzen. Zunächst auf einen Schnaps im Treppenhaus. Da darf Bernhard der Schriftsteller von sich preisgeben, warum er am liebsten über den Tod schreibt. Wir erfahren alles über das harte Leben von Lena, der seienden und werdenden alleinerziehenden Mutter, während das ewig gehetzte junge Paar vor allem über Intimes, wie Mundgeruch und Geschlechtsverkehr redet. Nur Teresa, die lebenslustige Migrantin aus Osteuropa bricht mit ihrer offenen Art die geschlossene Gesellschaft dieses Treppen)-Hauses auf. So wie seine Bewohner kommt auch das Haus selbst nur mit dem nötigsten ausgestattet auf die Bühne (Michaela Muchina). Ein Lift, eine Treppe, ein paar Versorgungsrohre, ein Balkon, ein Luftschacht und ein Rollo für die Abgeschiedenheit des Schriftstellers, das muss genügen. In diesem Gerüst bewegen sich die Menschen streng choreografiert so schnell und atemlos, wie sie auch sprechen. Die Schauspieler Jessica Rust, Max Hemmersdorfer, Jana Alexia Rödiger, Sophie Köster, Philip Heimke und Zeljko Marovic beherrschen diesen kunstvollen, aber gnadenlosen Parcours der Anonymität. Gerne hätte man dem feinen und präzisen Spiel länger als nur knapp 60 Minuten zugesehen. Reichlich Applaus und Begeisterung. Von Wolfgang Bager.